Beschlüsse und Anträge

Abschaffung bzw. Verhinderung des "Warnschussarrestes"

Eingereicht und beschlossen auf einem Landesausschuss der Jusos Baden-Württemberg und einer Kreisdelegiertenkonferenz des SPD Kreisverbandes Böblingen.

Abschaffung bzw. Verhinderung des „Warnschussarrestes“

Antragsteller: Juso Kreisverband Böblingen

Adressaten: SPD-Bundesparteitag, SPD-Landesparteitag, SPD-Landesvorstand

Die schwarz-gelbe Regierung im Bund arbeitet momentan einen Gesetzesentwurf zum so genannten „Warnschussarrest“ aus, unter dieser Art von Arrest versteht man die Möglichkeit jugendliche StraftäterInnen für bis zu 4 Wochen in eine Justizvollzugsanstalt einzuweisen um so eine Warnung auszusprechen und Abschreckung vor weiteren Straftaten zu erzielen. 

Die Kresidelegiertenkonferenz der SPD möge beschließen:

Der SPD-Kreisverband Böblingen fordert die SPD auf dieses Gesetzesvorhaben im Bundesrat zu blockieren, bzw. bei einem Wahlsieg 2013 im Bund dieses Gesetz rückgängig zu machen und Gewaltpräventionsmaßnahmen an Schulen zu fördern.

Begründung:

Das von der schwarz-gelben Bundesregierung propagierte Menschenbild jugendlicher StraftäterInnen schreckt ab und ist mit sozialdemokratischen Grundwerten unvereinbar. Es stellt jugendliche Straftäter als „SchwerstverbrecherInnen dar, denen man mit absoluter Härte die Flausen aus dem Kopf treiben müsse.“ Außerdem liegen dem „Warnschussarrest“ folgende Irrtümer zu Grunde:

Irreführender Ansatz

Die Auswirkungen und das Ziel des „Warnschussarrestes“ stehen konträr zueinander: So sollen Jugendliche durch ihn vor weiteren Straftaten abgeschreckt werden und die Rückfallquote von StraftäterInnen, deren Strafe auf Bewährung ausgesetzt ist, gesenkt werden, da diese angeblich die mit Abstand höchste Quote aller möglichen Verurteilungsvarianten sei. Das diese Annahme falsch ist zeigt eine Studie des Magazins Stern: Demnach seien 77,8% der zu Jugendarrest verurteilten, 70% der StraftäterInnen deren Strafe ohne Bewährung ausgesprochen wurde und nur 59,6% derer, deren Strafe mit Bewährung ausgesetzt wurde, rückfällig geworden. Diese Statistik zieht auch einem weiteren Hauptargument der Befürworter den Zahn. Denn es wird deutlich, dass Gefängniserfahrung durch Arrest keine warnende und abschreckende Wirkung für potenzielle WiederholungstäterInnen hat.

Außerdem bleibt festzuhalten, dass die Einführung und Durchführung des „Warnschussarrestes“ dem Leitbild eines modernen Jugendstrafrechts widerspricht. Dieses Leitbild ist nämlich das Erziehen und nicht das Strafen durch Härte.

Unnötige Kriminalisierung

Ein „Warnschussarrest“ kann schon für verhältnismäßig geringfügige Straftaten verhängt werden, dadurch besteht die akute Gefahr, dass erstmalige StraftäterInnen zu Unrecht und im Übereifer kriminalisiert werden. Das hat weitreichende Folgen für die/den Verurteilte/Verurteilten: Schon allein das Wort „Gefängnis“ verschreckt viele Teile unserer Gesellschaft wie zum Beispiel Arbeitgeber, für die/den Betroffene/Betroffenen wird es also aussichtslos eine Arbeitsstelle zu finden. Aber auch das normale soziale Umfeld könnte sehr leicht verschreckt werden und sich von der/vom Verurteilten abwenden. Resultierend daraus kann eine Selbstaufgabe der betroffenen Person entstehen, sie findet sich mit ihrer gesellschaftlichen Rolle ab und wird somit auch für sich selbst zur/zum StraftäterIn.

Gefahr eines unmodernen Strafrechts

Zudem zeigt der Vorschlag den Warnschussarrest einzuführen, wie sehr eine "Law-and-Order"-Strafgesetzgebung zunehmend überhand nimmt über unsere einigermaßen liberale derzeitige Gesetzgebung, wie sehr Vergeltung und Abschreckung in den Vordergrund und Erziehung und Resozialisierung in den Hintergrund rücken. Der Warnschussarrest steht dabei in einer Reihe von - meist in Verbindung mit Medienpopulismus auftretenden - Gesetzesverschärfungen in der Strafgesetzgebung. Es ist zu befürchten, dass nach Einführung des Warnschussarrests die Rufe nach weiteren Gesetzesverschärfungen nicht verstummten, sondern noch lauter würden. Dies führte zu einem Dammbrucheffekt in der Gesetzgebung: Mit immer schärferen Strafen in ein System, welches statt die Resozialisierung die Rachegelüste der Bevölkerung bedient. Dem muss entgegengehalten werden. Der Warnschussarest darf nicht eingeführt werden!

Unnötige Kosten

Die durchschnittlichen Kosten für die Betreuung und Unterbringung  einer/eines Strafgefangenen belaufen sich zwischen 80€ bis 130€ pro Tag, das heißt, dass gerechnet mit einem Wert von 100€ pro Tag bei einer angenommen Vollzugsdauer von 30 Tagen die zusätzlichen Kosten durch eine/einen StraftäterIn mit dem Urteil „Warnschussarrest“ sich auf 3000€ belaufen.

Ablenkung von einem dringenderem Problem

Die Forderung nach einem Warnschussarrest lenkt dabei von einem drängenden Problem in der deutschen Justiz ab: Der Tatsache, dass zwischen einer Anzeige z.B. wegen Körperverletzung und einem Strafprozess oft mehrere Monate liegen. Diese Zeitspanne birgt zweierlei Probleme: Eine Strafe die erst Monate nach der Tat verhängt wird, verliert ihre erzieherische Wirkung. Zudem haben Opfer, welche in der Regel als Zeugen aussagen müssen, Monate nach der Tat oft kein Interesse an einem Prozess, da dabei alte Wunden aufgerissen werden.

In diesen viel zu langen Zeitspannen liegt das eigentliche Problem in der Strafjustiz. Dieses sollte behoben werden, anstatt davon mit populistischen Forderungen nach einem Warnschussarrest davon abzulenken.

Die zu fördernden Alternativen

Jungen Straftätern soll aber durch die Abschaffung bzw. Verhinderung des „Warnschussarrestes“ kein Freifahrtschein ausgestellt werden, allerdings gibt es angenehmere und kostengünstigere Alternativen zum „Warnschussarrest“ die sogar schon vor dem Begehen der Straftat greifen und somit präventiv wirken. Den größten Teil der Jugendkriminalität machen Gewaltdelikte aus. An verschiedenen Schulen  in Baden-Württemberg gibt es schon seit einigen Jahren das Projekt „f.ü.r.“ (Freunde üben Rücksicht). Ziel ist die Sensibilisierung für die verschiedenen Gewaltformen (verbal, psychisch und körperlich) durch selbsterarbeitete Vorträge von Elternkreisen. Dieses Projekt und weitere Ähnliche tragen zu einer großen Prävention bei, deshalb gehören sie in ihrem Ansehen und finanziell gefördert.

Diese Projekte sind definitiv nicht als Allheilmittel zu sehen, da es von Eltern nicht erwartet werden kann, einen Teil ihrer verfügbaren Zeit zu opfern. Vielmehr ist es die Aufgabe von staatlichen Bildungsanstalten zusätzliche Präventivarbeit zu leisten (SchulsozialarbeiterInnen).

 

 

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